Blind Guardian – 30 Jahre im Metalbiz!

Blind Guardian

Nach über 10 Jahren kommen Blind Guardian nun mit einem Triple-Livealbum zurück an die Livefront und haben dafür in ganz Europa die Konzerte mitgeschnitten. Ein freundlicher und recht auskunftsfreudiger Frontmann Hansi Kürsch stand mir für das Interview zur Verfügung. Da musste ich den gut gelaunten Krefelder doch direkt mal auf das genau am nächsten Tag findende Metaltreffen mit Doro und Tobi Sammet beim ZDF anhauen! Hansi Kürsch ist ein freundlicher Erzähler dem ich gerne zugehört habe und der auch was zu erzählen hatte!

Wie kommt es denn, dass du da im ZDF sitzt und über Metal und so redest? Drei Leute da muss man ja schauen genug Zeit zum Reden zu bekommen.

(lacht) Wir werden da die Metal Fahne hochhalten und ich hoffe das wir da mit einem blauen Auge davonkommen. Wir haben da wohl alle denselben Promoter der da wohl irgendeinen Kontakt hat und die haben da wohl jemand gesucht, ich wurde also gefragt und habe mich nicht aufgedrängt und fand es jetzt nicht so schlecht. Ich glaube ich war noch nie in solchen Sendungen, das ist für mich also eine Premiere. Aber für den Tobi auch, oder?

Nee der war schon der Chartshow bei RTL mit Doro, da kann man gut bei einschlafen. Kommen wir mal zu eurer neuen Livescheibe, eure erste Livescheibe die „Tokyo Tales“ hatte noch eine CD, die „Live“ schon zwei und „Live Beyond The Spheres“ jetzt drei. War das jetzt bewusst, dass ihr euch immer übertroffen habt?

Muss wahrscheinlich so sein, wir müssen uns nur über die Quantität toppen, schmunzelt Hansi und berichtigt es dann so: wir sind nun 30 Jahre im Geschäft und dann fallen halt viele Lieder an. Da war dann auch Quantität und Qualität vorhanden, vielleicht ist das deshalb der Grund, warum es am Schluss nicht mehr auf zwei CDs gepackt wurde. Mir hätten dann auch zwei CDs gelang, aber wenn du bei einer CD über 70 Minuten gehst leidet dann auch die Qualität weshalb es doch am Ende drei geworden sind. Es waren dann am Ende 20 oder 30 Minuten mehr Musik als auf dem letzten Livealbum, wir hatten aber noch so viele Songs die man dann hätte auf noch drei oder vier CDs packen können. Obwohl dass etwas kontraproduktiv gewesen wäre, da es doch teilweise dieselben Songs waren (lacht). Wenn man das Zeug hat, warum nicht? Mir hätte es aber wehgetan den einen oder anderen Song wegzulassen!

Das kann ich gut verstehen, das finde ich auch gut. Was ich nicht verstehe – ihr habt doch Tonnen weise Material aufgezeichnet, was ihr euch dann anhören musstet, wird man da nicht wahnsinnig? Nach dem Motto: Ich kann das nicht mehr hören!

Nee es war tatsächlich so, wir haben alles gehört und das wird zu einem Overkill, wir haben auch Pausen eingelegt und sind auch teilweise aneinandergeraten, weil jeder ein Ranking aufgestellt hat, weswegen nicht immer Jubel, Trubel, Heiterkeit geherrscht hat. Aber im Endeffekt war es dann doch überraschend wie nahe wir doch mit unseren Vorstellungen beieinandergelegen haben! Da muss jetzt nicht bei Song X oder Y immer die beste Gesangsperformance genommen werden, da ging es um das große Ganze. Wenn das Bild einer großen Liveshow erfüllt ist, hat es seinen Zweck erfüllt am Ende. Wir haben uns auch zwei, dreimal verrannt. Wir wollten ursprünglich eine ganz raue Sache machen, fast wie die Scheibe von 2003, das hatte schon Bootlegcharakter und wir liebäugelten damit auch nur ein Konzert mitzuschneiden! Nur hat sich das für uns nicht richtig angefühlt, zum einen weil doch viele Leute ungehört blieben und der andere Grund war, dass wir uns von der 2003er Sache etwas absetzen wollten. Das ist schon ein Unterschied, da wir eine komplett neue Rhythmussektion haben und auch die die 2003 schon dabei waren die Sachen auch heute anders präsentieren als vor 15 Jahren. Deshalb entschieden wir uns für diese State Of The Art Version einer Livescheibe die dann auch den Zeitgeist repräsentiert, weshalb es auch schon nötig war klangtechnisch tiefer in die Sache einzusteigen. Wenn man sich die 2003er Sachen intensiv anhört, stellt man fest, dass wir da ganz schön durch die verschiedenen Hallen gesprungen sind und das hört man. Ich glaube das haben wir diesmal besser hinbekommen und das hat auch viel Arbeit gemacht!

Was ich sehr gut finde an der Scheibe, und ich habe in den letzten Monaten sehr viele sogenannter Livealben und DVDs besprochen, da höre ich als Nichtmusiker und sehe es auch bei den DVDs und dieser Perfektionismus nervt mich. Ihr habt es aber geschafft das normaler klingen zu lassen. Aber die Hörgewohnheiten sind ja auch so geworden, ich denke da an die Livescheibe von Axel Rudi Pell ohne Overdubs und das ist echt schwer zu hören für mich!

Ja stimmt, exakt also wir haben den Luxus wir können zwischen den Hallen und den Konzerten hin-und herspringen zu können. Wir müssen nichts im Studio aufnehmen und reinschneiden, wir nehmen das von einem der anderen Shows, z.B. wenn André was an der Gitarre versemmelt hat oder ich am Gesang. Du bist zu 99% in Warschau bei einer Nummer und nimmst das von einem Musiker wenn es mies lief halt von einer anderen Show und kannst es dann trotzdem live halten. Du hast trotzdem die Möglichkeit es auf hohem Niveau zu präsentieren ohne einen großen Bug der dann stört. Wenn wir ein Livebootleg gemacht hätten und wir haben 10-20 Konzerte auf dieser Tournee gespielt die wir hätten nehmen können, dann ist es dann so live weil es die Liveatmosphäre wieder gibt aber beim fünften oder sechsten Durchgang ist das dann vielleicht so, dass du jeden Fehler hörst und das stört dann wie dich was du eben meintest. Da ja alles mittlerweile so glattgebügelt ist, wollen die Fans bei allen Bands – nicht nur bei Blind Guardian so etwas dann auch nicht mehr hören! Obwohl es positiv heraussticht und dann doch negativ auffällt.

Es liegt aber doch denke ich auch an der Aufnahme wo die Mikros stehen, ich kenne gute Livealben bei denen nachher alles sagten es sei gut, aber das Publikum wäre nicht zu hören. Andere bauen deshalb eine Stadionatmosphäre wie bei Mötley Crüe ein.

Ja genau, du kannst alles machen und das ist dann immer ein Kompromiss! Eigentlich muss man das so sagen – ich sitze gerade auf meinem Ast und fange an zu sägen – eine Liveshow ist ein einmaliges Erlebnis! .

Habt ihr eigentlich bewusst keine DVD beigepackt, das macht ja sonst eigentlich fast jeder so eine DVD& CD Kombi?

Jein, wir sind oldschool und mir war nicht so bewusst, dass das eine Notwendigkeit besteht. Das man das heute machen sollte und hast dabei noch ein oder zwei Stunden visuelles, vielleicht nicht so gutes Material dabei. Das kann man so machen, ist aber nicht unser Ding! Was wir gemacht haben, filmen mit 4-5 Kameras, daraus kannst du keine zwei Stunden Live-DVD machen, das reicht höchstens für nette Videoclips für You Tube. Das ist eher Clip als Live-DVD, da war für uns die Sache abgehakt. Da sieht auch jeder dass die aus drei Konzerten zusammen gebastelt wurde. Es ist aber so, dass wir durchaus noch Material gehabt hätten, wir hätte „Wacken“ oder „Rockpalast“ (vom „Rock Hard Festival)“ Material aus dem Jahre 2016 bearbeiten und dabei packen können. Aber wenn ich überlege, was wir eh schon für einen Aufwand betrieben haben und wie lange das gedauert hat, hätte dies sicherlich den Rahmen gesprengt. Wir hätten das alles noch Mixen, bildlich bearbeiten usw. machen müssen, was noch mal ein großer Kostenfaktor gewesen wäre.

Blöde gefragt: Seid ihr Perfektionisten?

Jein, ich glaube du hast eben selbst die Antwort gegeben! Es gibt ja heute ein Anspruchsdenken bei den Leuten und wir dann bewusst die Leute vor den Kopf stoßen wenn wir die Sachen so machen wie wir sie machen und diese dann auch richtig sind! Viele Leute kommen auch mit gefaketen Sachen gut klar und sehen diese als qualitativ hochwertig. Also etwas Mc Donalds Küche (lacht). Aber auf diese Spielchen lassen wir uns nicht ein, wir sind aber in unserem Universum so, dass wir sagen es muss unseren Geschmacksnerven entsprechen bevor wir es auf die Menschheit loslassen. Teilweise verrennen wir uns dann aber auch.

Mir persönlich langt diese Livescheibe, ihr habt sicherlich noch Material für kommende Jahre, man will ja nicht alles Pulver verschießen. Wie fühlst du dich jetzt, die Scheibe wurde ja schon 2015 aufgenommen?

Ja! Ich bin wirklich davon ausgegangen, dass wir 2016 dieses Livealbum veröffentlichen werden! Es kam so, dass wir noch zusätzliche Konzerte, mehr als wir ursprünglich wollten. Es gab noch ein paar private Geschichten und ich war wirklich froh, dass wir im Früjahr 2017 dieses Teil bei Nuclear Blast abgeliefert haben und das hinter uns lassen konnten! Auch das Thema DVD war lange ein Thema und ich habe da echt die Nase voll und bin froh (lacht), dass die Sache nun zu Ende ist! Wir haben immer noch parallel an anderen Sachen gearbeitet, aber das hier hat uns natürlich immer aufgehalten. Ich bin echt froh, auch bei jedem Album das es weg ist. Bei dem Livealbum war ich dann gar einen Tick froher.

Ich habe euch seit eurem Coburg Gig nun endlich mal wieder auf der Loreley gesehen. Wo sind denn da die Unterschiede in den Setlisten zu normalen Konzerten bei euch?

Das ist schon so, dass man da einen Unterschied macht zu den normalen Geschichten, gerade bei Festivals versuchst du eine Best Of Geschichte zu machen. Nun haben wir vor einiger Zeit das ganze „Imaginations From The Other Side“ Album am Stück eine Zeit gespielt, weshalb sich das nun für uns etwas komplizierter oder anders darstellt. Normalerweise sind wir bei einer 2 bis 2,5 Stunden Show gelöster an die Sache herangehen und vor unserem Publikum stehen, so dass wir Lieder spielen können die wir länger nicht gespielt haben und die Fans sich wünschen und wir vielleicht gar nicht mehr so gut drauf haben (lacht). Da kann man mehr variieren auf einer Headlinertournee, so dass wir bis 35-40 Lieder spielen die variieren. Es gibt einen Fundus von Liedern die jeden Abend gleich sind, damit eine Routine entsteht, aber die anderen variieren, das ist bei einer Festivalrutsche anders. Bei Festivals holt man eher die routinierten Lieder weil man da nicht nur Guardian Fans hat, da hat man auch nicht immer die besten Soundvoraussetzungen, weshalb wir uns dann auf die Lieder verlassen die wir am besten spielen können! Das variiert dann auch ein bisschen, aber nicht so stark.

Ich finde es auch krass, dass ihr sagt wir spielen bis zu 2,5 Stunden, wie siehst du die Diskrepanz von diesen Langspielerbands wie Saxon und den kurzen Truppen?

Schwere Geschichte! Wir finden der Fan hat eine Vollbedienung verdient und niemand hat Geld zu verschenken. Deshalb bieten wir auch viele Songs und dazu kommt, dass 60 Minuten auf der Bühne auch echt schnell vorbei sind! Wir spielen selbst sehr gerne, zumindest unsere zwei Stunden und die auch zu genießen. Selbst wenn, was auf Tour öfters klappt wir nicht immer so fit sind. Dann versuchen wir es aber und schauen wie es uns allen geht. Die Magie ist trotzdem da. Das macht diesen europäischen Geist in der Musik aus. Die von dir erwähnten Saxon sind ein Paradebeispiel dafür, die ja schon auf Zuruf spielen und teilweise 2,5 Stunden auf der Bühne stehen. Wir haben ja eine etwas andere Taktung und 2,5 Stunden sind für was anders, aber das versuchen wir dann auch. Wir haben auch in Amerika bemerkt wie dankbar die Leute dann sind!

Die Abschlussfrage kannst du dir fast denken, in diversen Medien wurde es schon gesagt: Es heißt du und dein Freund Jon Schaffer arbeiten an einem dritten Demons & Wizards Album?!

Wir haben schon zwei Nummern miteinander komponiert und am Wochenende zweimal getroffen. Wir wollen ja uns möglich schnell weitermachen, aber Jon wird die nächsten vier, fünf Monate mit Iced Earth beschäftigt sein. Das klappt übers Internet und bei Treffen ganz gut, ich arbeite auch mit André bei Blind Guardian nicht anders! Wir treffen uns einmal im Monat, dann wird telefoniert und sich abgesprochen. Der Rest funktioniert hat auch so, dass wir eine Komposition vom Server hoch-oder runterladen. Ich denke das machen die meisten Bands. Natürlich trifft man sich auch manchmal live um den Song zu testen in Sachen Livetauglichkeit.

Dann warten wir mal auf die neuen Alben die da irgendwann kommen!

"Ein Gitarrenriff sollte nie länger sein, als es dauert, eine Bierflasche zu köpfen.“ Lemmy Kilmister (Motörhead)