MASCHINENGIPFEL/FESTUNGS-OPEN-AIR 2023

Billing

Heldmaschine, Diary Of Dreams, Der Schulz & Das Akustische Überfallkommando, Versus Goliath

Ort

Festung Ehrenbreitstein, Koblenz

Datum

10.06.2023

Bilder

Jennifer Laux

 

Noch ein Glas kühles Wasser in den Rachen geschüttet und schon geht es los ins schöne Koblenz! In Erwartung, dass der kommende Abend musikalisch ebenso heiss wird wie das Wetter selbst. Auf der Festung angekommen weisen schon einige Schilder auf das heutige Event hin und vereinzelte schwarze Gestalten suchen den Weg Richtung Sparkassenbühne um den MASCHINENGIPFEL zu feiern. Was sich genau dahinter verbirgt? Nein, nicht wie man von so manchem Besucher vernehmen konnte eine weitere NACHT DER HELDEN nur unter neuem Namen, diese hat nichts mit diesem Festival inklusive Team zu tun, und wird voraussichtlich erst wieder im Jahre 2024 stattfinden.

Der MASCHINENGIPFEL, präsentiert vom Café Hahn und Sonic Seducer, wurde von der Band HELDMASCHINE, der Koblenzer Speerspitze der hiesigen schwarzen Szene, die zusammen mit einer handverlesenen Auswahl an befreundeten Bands das neue, große Open-Air-Konzertereignis auf der Festung Ehrenbreitstein, angekündigt.
Das tatsächlich nur etwas über 500 Besucher den Weg auf die Festung fanden, verwundert schon, tat der Stimmung aber keine Abbruch.

Pünktlich um 17.30 Uhr traten dann Frontmann René und Drummer Dirk von den Heldmaschinisten auf die Bühne um die Meute gut gelaunt zu begrüßen und diese darüber zu informieren, dass die unter anderem angekündigte Band END OF GREEN aufgrund eines „medizinischen Notfalls“ leider nicht auftreten kann. Man konnte im Umfeld deutlich spüren, dass diese Absage für einige die Stimmung etwas drückte, aber wer die Jungs von HELDMASCHINE kennt weiß, dass sie sicherlich keine Mühen gescheut haben auch noch kurzfristig für einen adäquaten Ersatz zu sorgen. Schließlich sprang DER SCHULZ & DAS AKUSTISCHE ÜBERFALLKOMMANDO ein. Wie man im Nachgang an einigen Ecken vernehmen konnte, fand die Band nicht bei allen Zuschauern Anklang, wenngleich sie trotz aller kurzfristigen Improvisation einen musikalisch tollen Auftritt mit handgemachter Musik darboten.

VERSUS GOLIATH

Den Startschuss gibt die sympathische Münchner Band VERSUS GOLIATH, die mit ihrem Debutalbum „Liebe Und Chaos“ im Moment wohl ein echter Geheimtipp im modernen Spannungsfeld zwischen Metalcore und Rap sind. Die Spielfreude auf der Bühne können VERSUS GOLIATH problemlos in gute Stimmung vor der Bühne umwandeln. Sie liefern eine fast einstündige energiegeladene Show und somit eine gelungene Eröffnung. Ihre Songs funktionieren live hervorragend und überzeugen Fans, das lässt sich sehen und spüren. Von Langeweile keine Spur. Nach dem Gig sprechen die Jungs noch eine Einladung an ihren Merchandising Stand aus, um ein gemeinsames Bier zu trinken.

DER SCHULZ & DAS AKUSTISCHE ÜBERFALLKOMMANDO

Nach einer Umbaupause geht es dann nach kurzem Linecheck um 18.55 Uhr mit der der Ersatzband für END OF GREEN und somit für den ersten Headliner des Abends, DER SCHULZ & DAS AKUSTISCHE ÜBERFALLKOMMANDO, weiter. Dirk und René übernehmen wieder die Anmoderation und berichten amüsiert darüber, wie sie im ständigen Telefonkontakt mit Daniel Schulle Schulz standen, der wiederum versuchte seine Jungs zusammenzutrommeln, um überhaupt einspringen zu können, einen davon aber erst einmal nicht erreichen konnte, da er im Lebensmittelladen an der Kasse stand, was unter dem Gesichtspunkt des Zeitdruckes im ersten Schritt ein schlechtes Omen war. Zum Glück aller gab Schulle nicht auf und war letztlich auch erfolgreich. Wäre auch zu verrückt gewesen, wenn der Gig aufgrund eines Supermarkt-Besuches geplatzt wäre.

So funktioniert halt die sogenannte „Telebefruchtung“ und zack, steht der stetig lächelnde DER SCHULZ (UNZUCHT, neuerdings auch Frontmann von OOMPH!) samt seinem akustischen Einsatzkommando auf der Bühne um dann mit dem „Chris-Harms-Song“ „Mein Leib“ den Einstieg in das abwechslungsreiche Akustikset mit Cajonrhythmik  zu finden. Die Combo lässt es ich nicht nehmen auch ein Cover zum Besten zu geben, und animiert die Meute mit dem Pop-Rock-Song „Entre Dos Tierras“ der spanischen Band HEROES DEL SILENCIO  zum Mitsingen. Einen sehr großen Anklang findet der Titel „Nein meine Söhne geb’ ich nicht“, den REINHARD MEY ins Leben gerufen hat und diesen mit seinen Musikerfreunden, wie unter anderem mit DANIEL SCHULZ, zum Besten gibt. Das Antikriegslied hat auch 34 Jahre nach seiner Veröffentlichung nicht an Aktualität verloren und berührt so die Besucher. Ein ständiger Dialog mit dem Publikum schafft eine gute Stimmung. Die Musiker zeigen sich bestens gelaunt und animieren die Zuschauer unermüdlich zum Klatschen und Mitsingen – Aufforderungen, denen die vorderen Reihen nur allzu gerne nachkommen. Die Band bedankt sich daraufhin ausgiebig bei allen Anwesenden. Im Gesamten sorgt der Auftritt bei einigen im Publikum zunächst trotzdem für Stirnrunzeln, manche betiteln die Band als „unpassend“ für das Line Up, zu statisch, andere arrangieren sich gut damit, wieder andere feiern das Projekt wie beschrieben ausgelassen. Man kann es nicht jedem recht machen, aber an dieser Stelle noch mal ein Dank an HELDMASCHINE, die sich mobilisiert haben, so kurzfristig einen guten Ersatz zu finden. Das gebührt Anerkennung, auch für den Stress, den DER SCHULZ im Zuge dessen mit seinen Mitstreitern auf sich genommen hat um ein würdiges Programm abzuliefern.

DIARY OF DREAMS

Gegen 20.20 Uhr ging es dann mit meinen persönlichen Favoriten DIARY OF DREAMS weiter. Eine deutsche Band um den charismatischen Sänger Adrian Hates, bekannt als internationales Electro- und Dark-Wave-Urgestein. Mit Tracks aus ihrem aktuellen Album „Melancholin“ ziehen sie die Besucher schnell in ihren Bann und so dauert es nicht lange, bis sich die Menge noch näher vor der Bühne versammelt, um die motivierten Mannen um Adrian zu feiern und so die Stimmung noch mehr zu heben. Nach anfänglichen kleinen Rückkopplungsproblemen gibt es einen Einblick in das Schaffen von knapp 30 Jahren Bandgeschichte. DIARY OF DREAMS treffen auf feierfreudige Schaulustige. So richtig kuschelig wird es dann um 21.30 Uhr bei dem Klassiker „Traumtänzer“, der wie stetig „zum letzten Mal“ gespielt werden soll (mittlerweile ein echter running Gag). Gefühlt singt der ganze Platz singt aus ganzem Herzen mit, trotzdem ist es irgendwie still und man kann die Emotionen förmlich spüren. Geschlossene Augen, sanfte Bewegungen… Adrian sieht man an, wie er diese Atmosphäre mit jeder Pore aufsaugt. „Danke Koblenz“. Ein toller Gig, dem viele Mitklatscher huldigen. Selbst der strahlende Sonnenschein und die heissen Temperaturen können dem melancholischen Klangbild von DIARY OF DREAMS nicht Wege stehen – Sie hinterlassen Begeisterung und Gänsehaut.

HELDMASCHINE

Die Spannung steigt: Nun wird die Stage geräumt um die Vorbereitungen für den herbeigesehnten heroischen Headliner und Veranstalter dieses Festivals zu treffen. Die Fans rücken noch einmal näher zusammen, es gibt einen weiteren spürbaren Motivationsschub. Man kann viele Stimmen vernehmen, die aufgeregt ein „gleich kommen sie“ in die Menge brüllen. Demnach dauert es auch nicht allzu lange, bis die Jungs von HELDMASCHINE bei ihrem Heimspiel unter tosendem Applaus und wehenden Fahnen auf den Bretter der Welt empfangen werden und sich das Publikum gefühlt „Auf Allen Vieren“ innerlich vor dem Quintett verbeugt. Schnell entsteht eine Einheit zwischen den Musikern und ihren Fans. Wenn auch die Security sich nach mehrmaliger Aufforderung der Band nicht traut mit ihnen zu singen, tut es die Fangemeinde umso mehr. Von jetzt auf gleich kocht die Stimmung – man schaut in glückliche und feierlaunige Gesichter. Bei „Luxus“ werden großzügig „Heldmaschinen-Geldscheine“ von der Bühne Richtung Menge verteilt. Neue Deutsche Härte vom Feinsten, und das nicht nur musikalisch. Sympathische Ansagen, Interaktionen mit dem Publikum und eine atemberaubende LED- und Pyroshow machen den Auftritt zu einem sehr professionellen Erlebnis. „So etwas gab noch nie“ wird sich da so manch einer gedacht haben. Man sieht und spürt das bei HELDMASCHINE nicht nur know-how, sondern auch sehr viel Herzblut mit drinsteckt. Zudem nutzen die Jungs ausdrucksstark die ganze Bühne, sodass es Spaß macht, ihnen zuzuschauen. Um 23.30 Uhr verabschiedet sich die Combo mit „Springt“, und verlässt die Bühne. So einfach lassen sich die Anhänger natürlich nicht abspeisen und „zwingen“ die Band unter Zugaberufen zurück. Die Fanmotoren lassen sich nicht so leicht abkühlen und so setzen sie noch einen drauf. Überraschend anders und unter diffusem Licht reihen sich die fünf mit weißer Weste und weißen Masken nebeneinander auf. Unter kontrollierten Roboterbewegungen geben die Koblenzer einen Vorgeschmack auf eine demnächst erscheinende neue Single „Monoton“. Schwer lecker, nach meinem Geschmack. Die derzeit aktuelle Single schimpft sich „Hast Du Angst“ – da pumpt das Adrenalin, überzeugt euch selbst. Interessiert fragt René die Zuhörer, wer denn HELDMASCHINE zum ersten Mal sehen würde… eine perfekte Überleitung genau jenen mit „R“ zu erklären, warum sie das „R“ rollen. Den Rausschmeißer des rundum gelungenen Auftritts bildet „Weiter“, bei dem alle noch mal ordentlich mitgröhlen. Für alle, die nach dieser energiegeladenen Show immer noch nicht genug hatten, machte René einen Vorschlag: „Kommt doch noch mit auf die Aftershowparty in der Druckluftkammer“, appelliert Frontmann René an seine Fans, „mit der Gondel runter, dann noch 300 Meter, seid ihr da, dann trinken wir ein Bierchen zusammen.“

Würde mal behaupten, HELDMASCHINE hat richtig abgesahnt und war somit der aktionsgeladener und fulminanter Höhepunkt des Abends. Mein persönlicher Respekt an dieser Stelle. Ein großes Dankeschön gilt auch Berti Hahn und seinem gesamten Team vom Café Hahn und allen Mitorganisatoren, die dieses Festival ermöglicht haben.

Es war nicht nur heiss, sondern auch laut und schwarz und somit ein rundum gelungenes Open-Air in traumhafter Kulisse. Gut gelaunte und motivierte Besucher und Musiker. Wuchtiger Sound, gute Unterhaltung, gute Orga und zufriedene Gäste. Das schreit dann wohl nach der nächsten Runde. Wir sind gespannt, was als nächstes die ehrwürdigen Festungsmauern erzittern lassen wird.

Farbe egal: Hauptsache: schwarz!