Wenn Kultur Kultur frisst oder die Geschichte eines sterbenden
Metal-Geistesleben
Teil 1 – Drama einer Kultur
„Nun, da sich der Vorhang der Nacht von der Bühne hebt, kann das Spiel beginnen, das uns vom Drama einer Kultur berichtet.“, schallt es aus meinen Boxen. „Mit freundlichen Grüßen“, und der Hip-Hop der Fantas hämmert durchs Wohnzimmer. Treffender, als der Anfangssatz dieses Klassikers dürfte wohl kaum etwas das Thema dieser Kolumne beschreiben. Ich habe die Schnauze voll! Und ich höre aus Protest beim Schreiben dieses Artikels keinen Metal-Song. Ich höre meine „Omma“ aus dem Himmel schon wieder sagen: „Mario, was regst Du Dich denn so auf?!“, und Recht hat sie eigentlich, denn ändern werde ich daran nichts, an dem Ausverkauf des Metals.
Doch auf der anderen Seite, wer mich ein wenig kennt weiß, dass man mich mit keinem Thema so schnell aus der Reserve locken kann, wie mit der absoluten Kommerzialisierung des Metals und vor allem der Festivalkultur. „Gut, das ist ja nichts neues.“, werden mir jetzt viele sagen. Ich frage mich dann nur, warum wir alle dieses Spiel eigentlich mitspielen. Als ich Ende der 80er anfing mich für Metal zu interessieren, war das mehr als nur die Musik zu hören, es war eine klare Absage an den Mainstream und dessen Werte. Das zeigte man gerne mit Band-Shirts und Kutte. „Es ist ein Lebensgefühl“, konstatierte man, „das man eben nicht in einem Bekleidungsgeschäft von der Stange kaufen kann.“. Bin ich noch früher von meinen Mitbürgern böse angeschaut worden, wenn ich mit Pentagramm-Shirts von Slayer durch die Gegend lief oder kurz vor einem Schulverweis gestanden habe, weil man eine Cannibal Corpse Kassette bei mir fand, von deren gewaltverherrlichendem Cover man wenig hielt, so laufen heute Teenies mit Slayer-Shirts durch die Gegend und denken es sei eine Klamottenmarke. Es ist ein Witz, so wurden Slayer doch noch vor wenigen Jahren als Nazis beschimpft und einige Fans gleich mit, aufgrund von Songtexten wie dem von „Angel of Death“, die zugebenermaßen wirklich nicht sehr geschmackvoll sind. (Diese Vorwürfe sind jedoch, damals wie heute, haltlos). Dürfen heute also schon Grundschüler mit solchen Klamotten rumrennen?
Da werden jetzt sogar schon angeblich von einem Klamottenlabel Metal-Bands erfunden, wie z.B. „Mortus“, die es nicht mal gibt. (1*) Noch nicht. Ich unke jetzt mal herum und wette, dass die gleichen Geschäfte bald ihre eigenen Bands haben. Das ist doch nur konsequent weiter gedacht, oder? Perfekt! Ich bestimme mit meinen Klamotten was In ist, welche Band hip ist, oder nicht, verdiene ohne Zwischenschritt an Platten und Merch, was es selbstverständlich nur in Filialen meiner Bekleidungskette zu kaufen gibt. Das ist schon fast genial. Leute, die Metaller früher nicht mal in ihre Läden gelassen haben, wegen Angst vor Ladendiebstahl, weil wir ja „Assis“ waren, machen heute genau damit ihr Geld. Sind das jetzt eigentlich auch alle Satanisten? Wer erinnert sich von Euch noch an den Fall „Sandro Beyers “ (Mordfall von Sondershausen)*2 ? Ich muss damals 16 gewesen sein. Die Leute haben die Straßenseite gewechselt, wenn sie uns gesehen haben, denn der Mordfall stand angeblich im Zusammenhang mit Black-Metal und Satanismus und damit standen plötzlich alle Hörer des Metal-Genres unter Generalverdacht Mörder, Nazis und/ oder Satanisten zu sein. Die Täter waren und bleiben Spinner, aber die findet man in jeder Szene, heute wie damals. Hinaus will ich damit auf folgendes: die Leute, die damals die Straßen wechselten kaufen heute ihren Kindern und Enkelkindern genau diese Klamotten und weder die Erwachsenen, noch deren Brut kennen sich damit aus. Jetzt könnte man natürlich sagen: „Ist doch schön, dass sie jetzt alle so tolerant geworden sind!“, aber das ist eine Lüge, denn die Unwissenheit über Musik im Allgemeinen, oder in unserem Fall beim Metal ist noch genauso groß wie früher. Mit der Toleranz verhält e sich folglich ebenso. Diese Unwissenheit halte ich übrigens für brandgefährlich, denn im Metal-Bereich gibt es leider auch viele schwarze Schafe, bei denen wir dann wirklich über Rechtsextremismus reden. Mal ehrlich, glaubt ihr wirklich daran, falls in einem dieser Shops oder im Katalog ein T-Shirt beispielsweise einer NSBM-Band hängen würde, dass Mutti, Jacqueline oder Justin (Sorry, das ist auch sehr klischeehaft, ich entschuldige mich bei allen Jacquelines und Justins dafür, aber es passt gerade so schön!) dieses erkennen könnten? Beispiel aus meinen Freundeskreis: Freundin zu mir: „Was steht auf dem Shirt, welche Band ist das?“ Ich: „Keine Ahnung, ich kann den Bandschriftzug nicht lesen und kenne die Band nicht. Warum hast Du es gekauft, wenn Du die Band nicht kennst?“ Sie: „Das Shirt war aber so schön!“. Es trifft es auf den Punkt, was da draußen passiert. Sind wir wirklich naiv genug um zu glauben, dass es die Kleidungsindustrie wirklich prüfen oder abschrecken würde Kleidung von Bands zu verkaufen, die politisch nicht korrekt sind, solange es Bares bringt?
Um zu den erfundenen Bandnamen zurück zu kommen: Der Metal-Hammer schrieb zu dem Thema am 25.März 2015 folgendes: „Was viele als riesige Kampagne von H&M vermuteten, war jedoch ein Hoax von einer Gruppe um Finntroll-Keyboarder Henri Sorvali. In einem Interview mit Noisey bekannte sich Sorvali nun zur Aktion, die die Ausbeutung von Subkulturen zu Modezwecken kritisieren soll.“(*3). Ich bin also wohl nicht der einzige Mensch der es so sieht. Was jetzt wirklich davon stimmt, keine Ahnung. Im Netz finden sich sehr widersprüchliche Aussagen, aber es deutet alles auf die Richtigkeit des Interviews hin. Ohne eine Stellungnahme seitens H&M jedoch, die ich zu diesem Zeitpunkt nicht finden kann, keinen Plan. Aber das ist auch nicht wichtig, für das, was ich aufzeigen will. Alleine die Idee hat für so viel Aufregung und Chaos gesorgt, dass ich mich in meiner Theorie bestätigt fühle, dass Klamotten-Labels bald auch ihre eigenen Bands, passend zum Shirt kreieren, nicht abwegig ist. Wenn man es ganz genau nimmt, ist dies eigentlich auch schon Usus, denn Merchandise von Bands und Multimediapräsenz sind oft schon draußen, bevor die Band auch nur einen Ton gespielt hat. Ich traue mir nicht zu die Meinungen und Absichten hinter denen sie stehen, von jeder Band zu kennen und zu beurteilen, aber zum Glück gibt es ja jetzt den Feierabend-Rocker in den Kneipen, der sich in diesen Bereichen jetzt genau auskennt: „Eh, Du hast doch früher so harten Kram gehört?! Die neue In Flames pustet dich um. Die sind ganz neu, von so harte Mucke hast du keine Ahnung, wa‘?“ Was soll man dazu noch sagen, außer, dass ich ihn geoutet habe, als der ach-so-harte Rocker, der ganz gerne Helene Fischer in seinem 3er Golf hört. Was diese Personen plötzlich alle zu Rockern und Hobby-Pommesgablern macht, ist nur eins: sie bekommen es von der Industrie vorgekaut und weichgespült präsentiert, die ihrerseits erkannt habt, das mit keiner anderen Musikbranche so viel Geld zu verdienen ist. Das ist sicher keine neue Erkenntnis. Bands wie AC/DC, Guns’n’Roses oder Bon Jovi haben es früh vor gemacht. Mit T-Shirts und diversem anderem Kram ist eine Menge Geld zu machen. Diese Leute kaufen sich T-Shirts und dann mit viel Glück die passende CD. In dieser Reihenfolge und nicht anders. Der Anfang vom Ende einer Kultur, die eigentlich immer genau gegen alle Modetrends war, bzw. einer Kultur, die jetzt ein Teil von dem System geworden ist, gegen welches sie eigentlich einstand, deren Credo es war anders zu sein als der Mainstream! Ich persönlich trage keine Slayer-Shirts mehr, ich möchte nämlich nicht in die H&M Schublade geschoben werden, die auf den Privatsendern mithilfe sogenannter Wissenssendungen wie Galileo über Heavy Metal aufgeklärt wird. Ich verlasse mich da lieber noch auf andere Quellen.
Quellenangabe:
1* – www.emp.de/blog/musik/hm-erfindet-metal-bands-verkauf-um-jeden-preis/
2* – de.wikipedia.org/wiki/Mordfall_von_Sondershausen
3* – www.metal-hammer.de/news/meldungen/article710995/finntrolls-henri-sorvali-steckt-hinter-h-amp-m-band-hoax.html
4* – www.holmez.de/page/2/