JUDAS PRIEST, ACCEPT, PHIL CAMPBELL & THE BASTARD SONS / STADTWERKE ARENA, BAD VILBEL

Billing

Judas Priest, Accept, Phil Campbell & The Bastard Sons

Ort

Stadtwerke Arena, Bad Vilbel

Datum

17.06.2025

Bilder

Christian Schäfer

 

Voller Begeisterung las ich in diesem Frühjahr, dass die Götter von JUDAS PRIEST im Sommer in Bad Vilbel spielen würden. Und nicht nur das, mit PHIL CAMPBELL & THE BASTARD SONS und den unverwüstlichen ACCEPT sollten sie sogar zwei schwermetallische Schwergewichte zur Unterstützung mitbringen. Was mich sehr gewundert hat, denn Bad Vilbel, ein etwas verschlafenes Kurstädtchen nördlich von Frankfurt, gilt unter Insidern nicht gerade als Metal-Hochburg. Als ich später erfuhr, dass diese drei Bands im Rahmen des diesjährigen Hessentages auftreten sollten, hielt ich das für einen Scherz. Hessentag? Ältere Semester denken reflexartig an den „Blauen Bock“, an Grüne Soße und Handkäs‘ mit Musik. Shit, und nu‘? Da es zum Absagen zu spät war und der Stadtpressesprecher von Bad Vilbel per Mail und am Telefon sehr freundlich war, haben meine Arbeitskollegen Martina und Torsten und meine Schwester Jule uns am 17.06. auf den Weg in Richtung Wetterau gemacht.

Nachdem wir dank diverser Baustellen in und um Frankfurt herum viele Stunden, gefühlt über 100, im Berufsverkehr standen, kamen wir endlich am Veranstaltungsort an. Die beeindruckende Bühne erstrahlte im Licht der Nachmittagssonne, der Himmel war blau, der Wind sanft und erfrischend und der gerade zu Ende gehende Soundcheck vielversprechend. Vor lauter Vorfreude hatte ich den Presseschalter nicht gefunden, mich an einer falschen Schlange angestellt und wurde dann von einer sehr netten Mitarbeiterin kulanterweise durch den Backstagebereich auf das Gelände gelotst. Als ich dann vor der Bühne ankam, waren PHIL CAMPBELL & THE BASTARD SONS schon bei der Arbeit und eröffneten den musikalisch vermutlich härtesten Abend, den der Hessentag in der Geschichte seines Bestehens erlebt hat.

Die Band um den ehemaligen MOTÖRHEAD-Gitarristen und seine Söhne Todd, Tyla und Dane sowie der neue Sänger Joel Peters ließ nichts anbrennen und spielte souverän und vielleicht einen Tick zu routiniert ihr rund halbstündiges Programm als Anheizer ab. Neben diversen, mir nur am Rande geläufigen Eigenkompositionen bestachen sie mit zwei MOTÖRHEAD-Klassikern („Going To Brazil“, „Ace Of Spades“), für die sie vom dankbaren Publikum ordentlich abgefeiert wurden. Ja, das Publikum: altersmäßig erfreulich durchmischt und trotz sommerlichen 26°C in großer Mehrheit in Jeanskutten und Lederjacken gehüllt, schüttelte Haare und Fäuste und animierte den irgendwie etwas wortkargen Bandboss schließlich doch dazu, sich auf walisisch-englisch, nicht richtig gut verständlich, aber doch moderat herzlich für die nette Aufnahme im Hesselond zu bedanken. Ich finde,  Phil Campbell und seine Truppe wurden letztlich mehr gefeiert als ihr eher behäbiger Auftritt es erforderlich gemacht hätte.

  • We’re the Bastards
  • Step Into the Fire
  • Going to Brazil
  • Hammer and Dance
  • High Rule
  • Ace of Spades
  • Strike the Match

Nach einer kurzen Umbaupause gingen ACCEPT an den Start. Die Band aus Solingen hat neben den SCORPIONS und vielleicht HELLOWEEN den deutschen Metal am nachhaltigsten geprägt. Die pfeilschnellen Doppelgitarren von Wolf Hoffmann, dem letzten verbliebenen fast-Originalmitglied, und seinen jeweiligen Partnern, vor allem Jörg Fischer, waren ihrer Zeit weit voraus und wirkten sich absolut stilbildend auf Speed- und Thrash Metal, auch jenseits des Atlantik, aus. Nach diversen Umbesetzungen und teils spätpubertären bandinternen Querelen kristallisierte sich ab dem Einstieg von Mark Tornillo am Gesang (2009) eine relativ feste Besetzung heraus, die 2019 um den weiteren Gitarristen Philip Shouse zum Sextett erweitert wurde.

Und so stand an diesem herrlichen Sommertag auf einmal diese Legendenband auf der sonnenbeschienen Bühne. Los ging‘s mit „The Reckoning“ vom aktuellen Album „Humanoid“ (2024), nach dem man sich dann mehrheitlich auf alte Klassiker der Ära mit Udo Dirkschneider am Gesang beschränkte. Sehr souverän wurden die alten Titel dargeboten, sehr zur Freude von Band und Publikum, das die Sauerländer vom ersten Ton an feierte wie ein Katholik auf Wallfahrt den neuen Papst. Kurze und knackige Ansagen, ausgiebige Gitarrensoli, erstklassiges Zusammenspiel und bemerkenswert klarer Ton: allein für ACCEPT hätte sich die Anreise gelohnt. Dass die Männer kaum auf neueres Material aus ihrem reichhaltigen Katalog zurückgegriffen haben fand ich zwar etwas schade, aber mal im Ernst: wenn man dafür mit Klassikern wie „Restless & Wild“, „Metal Heart“, „Fast As A Shark“, dem kurzzeitig schnellsten Metalsong der Welt (irgendwann ‘83 oder so, kurz vor METALLICAs „Kill ‘em All“) und dem unvermeidlichen „Balls To The Wall“ entschädigt wird, gibt‘s nun wirklich nix zu motzen. War toll und saugerne wieder!

  • The Reckoning
  • Restless & Wild
  • London Leatherboys
  • Straight Up Jack
  • Princess of the Dawn
  • Metal Heart
  • Teutonic Terror
  • Fast as a Shark
  • Pandemic
  • Balls to the Wall

Tja, und dann kam, worauf sich alle gefreut haben. JUDAS PRIEST. Seit 50 Jahren in relativ konstanter Besetzung ganz vorne, wenn es um englischen Heavy Metal geht. Urgitarrist K.K. Downing wurde 2011 durch Richie Faulkner ersetzt; sein Gitarrenkollege Glenn Tipton ist seit 2018 an Morbus Parkinson erkrankt und wird auf Tour von Andy Sneap vertreten. Als alter PRIEST-Fan bereitete mir die Vorstellung, eine meiner absoluten Lieblingsbands ohne eines meiner absoluten Lieblingsgitarrenduos (auf dem Hessentag!) zu sehen, im Vorfeld einige Bauchschmerzen. Egal, manchmal muss man eben tapfer sein.

Das Bühnenbild war an das Albumcover von „Painkiller“ angelehnt, dem wohl besten und stilprägendsten Heavy-Metal-Album seit der Erfindung des Heavy Metal. Brennende Häuser, die unter apokalyptisch verdüstertem Himmel in glühende Lava versinken: das kann man auch als künstlerischen Verweis auf viel zu viele politische Ereignisse unserer Tage und vor allem: unserer Breitengrade sehen. Nach dem hierzu passenden, als Intro eingespielten BLACK SABBATH-Song „War Pigs“ legten PRIEST mit „All Guns Blazing“ von „Painkiller“ los wie die berühmte Feuerwehr, wenn ihre Lieblingsbrauerei in Flammen steht.

Drei gigantische LED-Bildschirme machten es möglich, das Geschehen auf der Bühne aus nahezu jedem Winkel des Geländes zu verfolgen. Der mittlere davon war sogar teilbar und enthüllte irgendwann das Bandlogo, den PRIEST-Kaktus, der seinerseits auch in immer unterschiedlichen Farben erleuchtete.
Die aktuelle Tour, vermutlich nach dem aktuellen Album „Invincible Shield“ und dem vor 35 Jahren erschienenen Album „Painkiller“ kurzerhand „Shield Of Pain“ genannt, bildete eher die PRIEST-Schaffensphase von 1978 bis 1990 ab, als die Band ihren größten Einfluss und ihre meisten Hits hatte. Vor allem „Painkiller“ wurde bei der Auswahl der Songs für den Abend berücksichtigt, was das inzwischen völlig elektrisierte Publikum mit Begeisterung aufnahm. Nachdem der Sound anfangs ein bisschen holperig war, hatte der Mann am Mischer spätestens bei „You’ve Got Another Thing Comin’“ alles im Griff und PRIEST bestachen sowohl durch einen großartigen Sound sowie durch supersicheres Zusammenspiel.
Sänger Rob Halford war mit 74 Jahren der vermutlich älteste Mensch auf der Bühne und großartig bei Stimme und Stimmung- seine Interaktion mit dem Publikum war echt cool und in einer kurzen Rede bedankte er sich dafür, seit rund 50 Jahren als Musiker leben und die Menschen dieser Welt mit genau dem begeistern zu können, was er selbst am meisten liebt. Toll, oder? Nach knapp zwei Stunden Vollbedienung durch die  Briten und zwei Zugaben („Hell Bent For Leather“, „Living After Midnight“) ging ein wirklich erinnerungswürdiger Abend zu Ende, und als die Band schon längst von der Bühne verschwunden und auch die Sonne sich verabschiedet hatte, skandierten viele Fans noch auf dem Weg zum Parklplatz „Living After Midnight“. Besonders gefreut hat mich die letzte Einblendung auf den erwähnten Riesenbildschirmen: „The PRIEST will be back“. Yes!!

  • All Guns Blazing
  • Hell Patrol
  • You’ve Got Another Thing Comin‘
  • Freewheel Burning
  • Breaking the Law
  • A Touch of Evil
  • Night Crawler
  • Firepower
  • Solar Angels
  • Gates of Hell
  • Metal Gods
  • The Serpent and the King
  • Between The Hammer & The Anvil
  • Painkiller
  • Hell Bent For Leather
  • Living After Midnight

Noch ein Wort an die Verantwortlichen im Hintergrund für ihre großartige Arbeit und astreine, reibungslose Orga. Am Einlass ging alles zügig und an den vielen verschiedenen Futterstände wurden klassische Fleischfresser, Freunde internationaler Küche und auch vegetarische Vogelfutterveganer zu ziemlich fairen Preisen glücklich und satt. Die Getränke, vor allem das lokale Bier („Licher“, lecker) waren echt erschwinglich und die Warteschlangen erfreulich kurz. Wer von beidem zu viel hatte oder auch nur einfach so das Örtchen besuchen wollte, hatte hierzu massig Gelegenheit. Die sanitären Anlagen waren reichlich vorhanden und dank fehlender Warteschlangen (!!) jederzeit verfügbar und wurden zudem im laufenden Betrieb konstant sauber gehalten. Der Hessentag 2025 in Bad Vilbel hat mich echt beeindruckt.

Doom Shall Rise!