Es ist noch nicht so lange her, da geisterte das Phänomen BLOODYWOOD durch die sozialen Medien. Ein Haufen indischer Jungs spukte die Idee im Kopf herum, bekannte Bollywood Songs im Metal Stil zu covern. Man schmeißt daraufhin seinen Job als u.a. Rechtsanwalt (!) hin und die Sache nimmt langsam Fahrt auf. Nach einigen Tourneen und Festival Auftritten spielt man heute in Hamburg auch nicht mehr im Logo wie 2023, sondern im Docks. Da passen auch dreimal so viele Leute rein. Und die sind alle da, obendrauf auch noch ausgesprochen pünktlich
Denn schon bei der ersten Support Band DEMONIC RESURRECTION ist im großen Rund des Docks eine Menge los. Und erstaunlicherweise ist das Publikum begeistert über die andere indische Band des heutigen Abends. Das liegt weniger an den vorhandenen musikalischen Qualitäten als eher an der Tatsache, dass Sahil und seine Kollegen sehr technisch versierten Death Metal spielen. Was nunmal eine andere Spielwiese ist wie der Crossover von BLOODYWOOD. Für Sahil (Gitarrist und Sänger) freut es mich wirklich sehr. Wir kennen uns schon eine ganze Zeit und oftmals haderte er mit seinem musikalischen Schaffen, wollte die Band und die Musik komplett aufgeben, seine letzte reguläre Tour war ein finanzielles Desaster und überhaupt zweifelte er an dem generellen Musik Business aus der Sicht eines indischen Metalheads. Und wenn man sich diese Umstände anschaut kann man das auch nachvollziehen.
Aber als er vor ein paar Monaten von Karan, dem Gitarristen von BLOODWOOD gefragt wurde, ob er als Support auf die Europa Tour mitkommt, hat er ohne zu zögern „ja“ gesagt. Und der Applaus des Publikums gibt ihm und seinen drei Mitstreitern Recht. DEMONIC RESURRECTION spielen fünf Ihrer sehr komplexen Songs, hauptsächlich vom Album „Dashavatar“, und damit ist die halbe Stunde Spielzeit schon vorbei. Zwischendurch gibt es noch ein paar Worte vom überaus sympathischen Sahil, aber in erster Linie lässt er seine Musik für sich sprechen. DEMONIC RESURRECTION nutzen die Gunst der Stunde vor einem großen Publikum zu spielen und die Band hat seit heute sicherlich ein paar Fans mehr.
Als nächstes stehen CALVA LOUISE auf dem Programm. Mir ist die Band vollkommen unbekannt, und ein wenig irritiert schaue ich in der Umbaupause auf die Bühne. Da werden recht komische Vorrichtungen an zwei Keyboards angebracht, oder umgekehrt, und deren Sinn erschließt sich mir nicht. Als das Trio dann auf die Bühne kommt ist aus Fotografensicht erst einmal große Ernüchterung angesagt.
War das Licht bei DEMONIC RESURRECTION schon nicht wirklich gut, ist es nun eine komplette Katastrophe. Lediglich gedämmtes blaues oder rotes Licht lassen Jess Allanic (Gesang, Gitarre, Keyboard) und Alizon Taho (Bass, Keyboard, Backing Vocals) hin und wieder erkennbar erscheinen. Schlagzeuger Ben Parker sitzt in totaler Finsternis und ist kaum zu erkennen.
Musikalisch ist das Ganze auch nicht so einfach. Die Mischung aus Post Metal, New Wave und Alternative Rock stößt zwar hier nicht auf taube Ohren, aber mehr als der übliche Höflichkeitsapplaus ist nicht drin. Durch die Doppelbelastung mit den Keyboards vor Jess und Alizon passiert eben auch nichts auf der Bühne. Lediglich für ein Gitarrensolo kommt Jess hinter ihren Instrumenten hervor.
Und die Vorrichtungen an den Keyboards? Die dienen dazu diese mit Schmackes zur Seite zu feuern falls wieder in die Gitarre bzw. in den Bass gegriffen werden muss. Die Keyboards sind dann nicht mehr im Weg und können im Bedarfsfall wieder zurück gezogen werden. Nettes Gimmick!
Ansonsten passiert rein gar nichts. CALVA LOUISE spielen rund 40 Minuten ohne irgendwelche Höhepunkte oder Ausfälle.
Nach gut dreißig Minuten Umbaupause kommen dann BLOODYWOOD auf die Bühne. Ein Intro stimmt das nahezu ausverkaufte Docks richtig ein, und zu „Dana Dan“ geht dann die Post ab. Gleich danach gibt es mit „Nu Delhi“ den Titelsong vom neuen Album.
Das Publikum ist begeistert, endlich wird dann auch mal die komplette Lichtanlage genutzt und der Sound ruckelt sich auch zurecht, nachdem es am Anfang ein wenig matschig klang. Eine kurze Begrüßung an das Publikum bevor es mit „Aaj“ und „Tadka“ zwei weitere Lieder erklingen.
Was mich immer wieder fasziniert ist das sehr unterschiedliche Publikum dass sich bei einer Show von BLOODYWOOD einfindet. Da steht der klassische Metalhead mit kleiner Bierplauze und Kutte neben der jungen Frau, deren Herz für „Bollywood“ Filme und Shah Ruhk Khan schlägt. Um mal die extremen Beispiele zu benennen.
BLOODYWOOD strahlen Spielfreude aus und machen mächtig Alarm auf der Bühne. Aber das wirkt auch alles sehr einstudiert und routiniert. Keine Ansage speziell auf den Ort gemünzt, keine direkte Interaktion mit dem Publikum trotz zahlreicher Zurufe auf Hindi oder Punjabi…..BOLLYWOOD wirken bei all der Energie die sie vom Stapel lassen merkwürdig distanziert wenn sie ihre Songs abspielen.
So bekommen auch die Songs vom Album „Rakshak“ mehr Reaktionen als die Stücke vom neuen Langeisen, dass zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht veröffentlicht ist.
Mit „Machi Bhasad“ und „Gaddaar“ steuern wir so langsam auf den Höhepunkt des Abends zu. Aber mit „Gaddaar“ erfolgt dieser bereits, denn nach knapp 60 Minuten ist Feierabend. Keine Zugabe, nur ein herzliches „Auf Wiedersehen“ und dann verschwinden BLOODYWOOD. Konnte ich das bei Ihrem Auftritt im Logo vor zwei Jahren (klick!) noch mangels Material nachvollziehen, so fehlen mir jetzt ein wenig die Argumente. Zumal der Song „Ari, Ari“ wieder einmal fehlt und nicht gespielt wird.
BLOODYWOOD sind eine sehr unterhaltsame Live Band, das steht völlig außer Frage, aber vielleicht sollte man einfach mal eine Pause einlegen und sich über das Konzept der eigenen Kapelle Gedanken machen. Der Preis für die Tickets heute Abend lag zwischen 50 und 60 Euro, und da erwarte ich als Zuschauer schon etwas mehr als 50 Minuten Musik netto.