Ist es nicht immer wieder erstaunlich, wie man „neue“ Musik für sich entdecken kann? THE BABOON SHOW hörte ich das erste Mal vor einer Kneipe. Diese hatte, es war ausnahmsweise mal Sommer in Hamburg, zwei krächzende Boxen und ein paar Bierbänke vor die Tür auf den Gehweg gestellt. Der Song gefiel und wurde umgehend per Smart Phone ermittelt. Und schon bald hatte ich ein paar mehr Songs von der schwedischen Band gehört und kam zu dem Ergebnis, dass dies ziemlich geil klingt.
Das ist jetzt schon ein paar Jahre her, und bisher gelang es mir nicht die Live Qualitäten des Quartetts aus Stockholm selber zu überprüfen. Der Ruf einer exzellenten Live Kapelle hat die Band nämlich schon weitaus länger. Umso schöner dass es jetzt klappte. Das angekündigte Konzert im Docks in Hamburg war ratzfatz ausverkauft, so dass man direkt einen Zusatztermin dazu buchte.
An dem heutigen Tag ist das Docks zwar nicht ganz ausverkauft, aber viel Platz ist spätestens beim Headliner auch nicht mehr vorhanden.
Den Abend eröffnen BLOOD COMMAND aus Norwegen, die auch schon eine ganze Zeit durch die Gegend touren. Seit 2008, um genau zu sein, wobei ich mich schwer tue das aktuelle Lineup zu erkennen. Selbst auf der offiziellen Homepage der Kapelle gibt es Foto mit vier Musikern oder eben zu fünft. Wobei ich den heutigen Bassisten überhaupt nicht wieder finde.
Definitiv an der Gitarre, mit Sonnenbrille und Lolli im Mund, Yngve Andersen, der diese beiden Utensilien auch während der gesamten Show nicht abnimmt. Und auch unverkennbar am Mikro ist Nikki Brumen. Die Dame im Paillettenkleid (im Verlauf des Auftritts wird die Bekleidung auch gewechselt) ist wie ein Flummi auf der Bühne. Da der Rest von BLOOD COMMAND sich so gut wie nicht bewegt bleibt die Sängerin im Mittelpunkt, was auf Dauer leider etwas anstrengend wird. Zu aufgesetzt wirken einige ihrer Gesten, da nutzt auch das Crowdsurfen nichts.
Denn stimmlich hat Frau Brumen es wirklich drauf, von üblen Schreien bis hin zu elfenhaftem Gesang ist alles dabei. Generell ist es schwer die Musik von BLOOD COMMAND zu beschreiben. Eine Mischung aus TURBONEGRO, KVELERTAK und BLINK 182, das ist zumindest mein Ansatz.
Ein kleiner Teil des Publikums ist mit dem Material wesentlich besser vertraut und feiert die Band gnadenlos ab. Für mich kann ich festhalten, dass ich 30 Minuten lang gut unterhalten wurde. Ob ich mir den Stoff von BLOOD COMMAND auch aus der Konserve anhöre wage ich aber zu bezweifeln.
Musikalisch ganz anders daher kommen BAD COP/BAD COP. Der melodische und gradlinige Punkrock des amerikanischen Quartetts ist eine willkommene Abwechslung. Dazu punkten die vier Damen aus Kalifornien mit drei Sängerinnen (Drummerin Myra Gallarza und Bassistin Linh Lee dürfen auch ans Mikro ran) und jeder Menge Bewegung auf der Bühne.
Das Publikum ist nun deutlicher aktiver, auch nach den Songs gibt es großen Beifall, und BAD COP/BAD COP sind routiniert genug um diesen Schwung mitzunehmen. So darf ein sehr klares Statement gegen den amtierenden Präsidenten von Amerika nicht fehlen. Das es aber auch um ernste Themen geht zeigt ein Song wie „Breastless“, der sich um Sängerin & Gitarristin Stacy Dee sowie ihre Brustkrebs Erkrankung dreht.
Die meisten Lieder heute stammen vom Album „Warriors“, das 2017 erschien. Drei Jahre später gab es „The Ride“, was dann auch das letzte offizielle Album von BAD COP/BAD COP war.
Wenn ich mir die Publikumsreaktionen anschaue sollte die Truppe dringend neue Musik auf den Markt werfen, den die Fans stehen bereit. BAD COP/BAD COP feiern ihre Musik, ihre Fans aber auch sich selber und lassen die gut vierzig Minuten wie im Flug vergehen.
Die Bühne wird verhüllt und dreißig Minuten dahinter emsig gearbeitet. Stilecht wird zum 20. Geburtstag der vier Schweden auch ein wenig aufgefahren. Ein wunderschönes, riesiges Backdrop und passend dazu ein paar weitere Hingucker auf der Bühne.
Als Intro gibt es von AC/DC „You Shook Me All Night Log“ bevor dann der Vorhang fällt und es auf beiden Seiten des Fotograbens kein Halten mehr gibt.
Schaut man im Wörterbuch (oder Wikipedia, für die jüngere Generation) unter dem Begriff „Rampensau“ nach findet man dort ein Foto von Cecillia Boström. Und natürlich ist dies im positivsten aller Sinne gemeint! Die Frau versprüht eine Aura der man sich nur schwer entziehen kann, dazu ihre raue und kraftvolle Stimme und eine „Scheiß egal“ Attitüde die zu 100% authentisch ist. Und wenn Du es Dir als Band leisten kannst, einen Deiner größten Knaller mal ebenso als Lied Nummer vier rauszuhauen, dann hast Du vieles richtig gemacht. Denn schon jetzt kommt „You Got A Problem Without Knowing It“, und die Eskalation im prall gefüllten Docks kennt zum ersten Mal keine Grenzen. Ähnlich oft wie die Gäste heute am Tresen stehen um (in den meisten Fällen) Bier Nachschub zu organisieren, lässt sich Sängerin Cecillia durchs Publikum tragen oder singt gleich einen ganzen Song von einer Mini Bühe die am Ende des Docks steht. Was für ein Entertainment Level.
Alle Beteiligten geben sich reichlich Mühe, und die Band feuert das Publikum immer wieder an. Selbst Bassistin Frida Stahl kann sich ein Grinsen nicht verkneifen und tappst immer mal wieder mit ihrem Viersaiter an den Bühnerand. Gitarrist Simon Dahlberg hat eh den Schalk im Nacken und post auch gerne mal mit seiner Sängerin um die Wette. Im Hintergrund, auf einem hübschen Drumriser verdrischt Niclas Svensson sein Felle und gibt nebenbei noch ein paar Backing Vocals zum Besten.
THE BABOON SHOW schießen ein echtes Feuerwerk ab, allein 16 Songs aus allen Phasen der Bandgeschichte gibt es zu hören bevor die Band von der Bühne geht. Darunter auch tatsächlich ein Song wie „Walk My Way“, der erst auf dieser Tour zum ersten mal live gespielt wird. Zahlreiche andere Klassiker wie „The Shame“ oder „Me, Myself And I“ sind natürlich auch dabei.
Die Zugabe beginnt mit einem meiner Lieblingssongs, nämlich „Lost You In A Second“. Auf Platte ist dies eine Duett mit Cecillia Boström und Björn Dixgard, niemand geringeres als der Frontmann von MANDO DIAO. Da der heute nicht vor Ort ist übernimmt Gitarrist Simon Dahlberg seinen Part. Nachdem ich meinen Unterkiefer wieder hochgeklappt habe stelle ich mir ernsthaft die Frage, warum der gute Mann den Song nicht gleich eingesungen hat, so gut erledigt er seine Aufgabe, Wahnsinn!
Das Publikum zeigt nur erste Ermüdungserscheinungen, aber THE BABOON SHOW lassen nicht locker. Es folgen noch „Tonight“ und „Playing WIth Fire“ bevor die Band erneut die Bühne verlässt. Aber da kommt noch mehr. „Hurray“ und der endgültige Rausschmeißer „Radio Rebelde“ (inklusive neuem Backdrop) lassen das Docks noch einmal in seinen Grundmauern erschüttern, bevor dann wirklich Feierabend ist.
THE BABOON SHOW haben knapp 100 Minuten gezockt, und hinterlassen ein ausgepumptes aber sehr zufriedenes Publikum. Es stimmt so ziemlich alles an diesem Abend: ein begeistertes Publikum trifft auf eine spielfreudige Band mit sattem Sound und tollem Licht. Viel mehr geht eigentlich nicht als Konzertgänger!