Nun ihr Kinder, gebt fein Acht! Es kommt einem selbst ja schon vor, wie die Reise zurück in längst vergessene Zeiten, aber es war tatsächlich so, dass es Anfang März noch Konzerte in diesem Land gab. Vor den Toren des Andernacher JUZ bildete sich eine lange Schlange von Menschen, die auf Einlass harrten. Sie standen dicht an dicht und einen Mundschutz trug auch niemand… Wie sich die Zeiten ändern. Bereits eine Woche später wurden unter Verweis auf den grassierenden Corona-Virus alle Konzerte abgesagt und auch das famose Berliner Krachkollektiv, das Anlass für die Menschenansammlung war, musste seine Tour absagen. Unbewusst galt es also zu feiern, als gäbe es kein nächstes Mal und den Soundtrack dazu lieferten Knorkator vor ausverkauftem Haus.
Wobei „ausverkauft“ auf Andernacher Verhältnisse übertragen auch immer bedeutet „Scheiße, ist das eng“. Zugang zum Fotograben? Theoretisch möglich, scheiterte aber am durch Menschenmassen versperrten Weg dorthin. Obendrein gab es die Auflage nur zu Beginn des Konzerts Bildaufnahmen machen zu dürfen. Hier beißen sich dann Fandienlichkeit vor Ort und bei den Lesern dieser Zeilen, die leider mit unter suboptimalen Bedingungen erstelltem Bildmaterial Vorlieb nehmen müssen. Aber selbst diese Widrigkeiten konnten weder dem Autor, noch sonst irgendwem im Saal die Laune vermiesen. Zumal, da Knorkator mit der Terminauswahl echt ein gutes Händchen haben, zumindest aus meiner ganz persönlichen Perspektive. Spielten sie beim letzten Mal just zu meinem Geburtstag auf, so nahmen sie 2020 das zehnjährige Jubiläum des Zusammenseins mit meiner Holden zum Anlass Andernach zu besuchen (die sich dann auch prompt dazu bereit erklärte, die hier zu sehenden Bilder anzufertigen).
Somit war der Weg für einen großen Abend geebnet. Da es eh nur eine maximal geringe Anzahl an Bands gibt, die musikalisch zu Knorkator passen, verzichtete man konsequenterweise auf Vorgruppen. Den Einstieg bildete somit ein kurzes Video, das ein klassisches Konzert zeigte, jedoch von der Band „liebevoll“ nachvertont wurde und nur geringfügig an den Nerven zerrte. Nun denn also Vorhang auf, Kapelle raus. Knorkator baten zum Tanz. Und was will man sagen, bei der Show der Berliner sitzt schlicht alles. Schon mit dem zweiten Song „Du nich“ hatte man die zahlreich versammelte Meute fest im Griff. Dass man sich als Band allem verweigern kann, was üblich zu sein scheint, ist im Kosmos von Knorkator sicherlich das Normalste auf der Welt, nur an einer Sache kommt man nicht vorbei: Den eigenen Hits. Und so war ich sichtlich nicht der einzige, der „Alter Mann“ abfeierte.Wer jetzt meint, dass mit diesem frühen Highlight die Messe gelesen wäre, der täuscht sich. Gestärkt durch eine kräftige „Buchstabensuppe“ servierten die Haupstädter zwei wunderbare Coverversionen, die im Original mindestens latent nerven, souverän dargeboten und im Stil von Knorkator verwurstet, aber durchaus Charme entwickeln. So lassen sich „Ring My Bell“ und auch „All That She Wants“ absolut ertragen. Dass man auf einem Rockkonzert war, dessen konnte man sich spätestens dann wieder vergegenwärtigen, als auf der Bühne durch Alf Ator himself ein Keyboard in seine Bestandteile zerlegt wurde. Besser kann man „Ich hasse Musik“ optisch nicht umsetzen. Wer jetzt meinte, es gäbe Raum für eine Verschnaufpause (oder eine Kippe vor der Tür), wurde vom fast unmittelbar folgenden Klassikerduo „Böse“ und „Weg nach unten“ eines Besseren belehrt. Genau wie der Band selbst, so scheint auch deren Krachern die Zeit nichts anhaben zu können. Sprich: Die ohnehin schon reichlich frischluftarmen heiligen Hallen des Andernacher JUZ kochten förmlich nochmals über.
Dass „Wir werden alle sterben“ binnen der nächsten Tage zur heimlichen Hymne einer Pandemie werden würde, die, wie oben beschrieben, nicht nur die Live Aktivitäten von Knorkator auf Eis legen würde, konnte damals noch niemand ahnen. Und dennoch hatte die überbordende Stimmung im Raum auch etwas vom Pfeifen im Walde. Doch damit sollte noch nicht Schluss sein. Schließlich gab es noch eine Runde Zugaben. Wenn ihr jemals vor der Verlegenheit stehen solltet, jemanden erklären zu müssen wer oder was zur Hölle Knorkator sind, wie wäre es damit: Das ist die Band, die mit „Zähne putzen, pullern und ab ins Bett“ den bestmöglichen Rausschmeißer im Repertoire hat und ihn gerade deshalb nicht als letzten Song im Zugabenblock verballert…
Was bleibt denn nun vom auf unabsehbare Zeit letzten Konzertabend haften? Mal mindestens, dass Knorkator sich keinen Regeln unterwerfen und auf ihre Art ernsthaft albern sind. Merkwürdige Gestalten, die in einer Bühnendeko herumspringen, die an die Mini Playback Show erinnert und dabei in der Lage sind, eine Location bis in die letzte Reihe hinein in Bewegung zu versetzen. Ein Phänomen gewiss, dessen Wesen sich der Analyse entzieht und das deshalb eine unnachahmliche Anziehungskraft entfaltet. Gerne wieder. Wenn die Band Terminvorschläge braucht, ich bin gerne behilflich.