RED MOON ARCHITECT – October Decay

Artist

RED MOON ARCHITECT

Albumtitel

October Decay

Genre

Doom Metal

Das war ja wieder klar. Kaum hat man sich damit abgefunden, dass im Doom-Bereich vieles nur noch graue Masse ist, kommt plötzlich – wer hätte es gedacht – RED MOON ARCHITECT ums Eck. Und diesmal gleich mit einer Dampfwalze voran: düsterer, langsamer und bedrückender als je zuvor. Und obwohl ich wahrscheinlich das komplett falsche Wetter für diese Art Musik gewählt habe – zu viel Licht, zu wenig Nebel – hilft’s ja nix. Denn das hier zieht einen trotzdem rein und zwar sofort.

Mit „Frozen Tomb“ wird direkt klargemacht: Hier gibt’s kein Aufwärmen. Der Song ist fast zehn Minuten pure Schwere, langsam, zähflüssig wie frisch gezapfter Teer – aber genau so muss das sein. Schon nach ein paar Minuten ist klar: Die Finnen haben das Tempo runtergeschraubt, die Düsternis noch dicker aufgetragen und die Atmosphäre so dicht gepackt, dass man sie fast schneiden kann.Ville Rutanens Growls sind wieder absolut monströs – wie schwarze Löcher, die einem die Seele aus dem Leib ziehen. Und dann Anni Viljanen: hypnotisch, ruhig, fast wie ein Echo aus einer anderen Welt. Diese Mischung funktioniert wieder auf ganzer Linie. Wo Ville dich runterzieht, legt Anni eine seltsame Geborgenheit darüber – düster, aber irgendwie warm. Der perfekte Einstieg also.

Wer jetzt denkt, dass nach dem Opener ein bisschen Licht am Horizont aufscheint – weit gefehlt und das ist auch gut so. Eh viel zu fröhlich da draußen mit der albernen Sonne. Mit „The Depths“ legt man nochmal eine Schippe Trostlosigkeit drauf. Der Song umklammert dich wie eine kalte Hand am Hals – keine Erlösung, kein Ausbruch. Und trotzdem, so bizarr das klingt: Es fühlt sich gut an. Sicher. Getragen.
Die Lead-Riffs sind hier richtig fett, satt, und bauen ein melancholisches Klanggerüst auf, das einen in eine düstere Traumwelt fallen lässt. Und nach zwei Songs bin ich schon wieder komplett drin – gefangen in diesem bleischweren Doom-Sog, der einfach alles um einen herum ausblendet.

Tja – und dann kommt „Decay of Emotions“, und zum ersten Mal passiert’s: Ich beginne, mich zu langweilen. Das überrascht mich selbst, denn der Einstieg hat mich ja noch so abgeholt. Aber hier – trotz der zwölf Minuten Spielzeit und durchaus vorhandener Abwechslung – passiert bei mir nicht mehr viel. Vielleicht ist es die fehlende Dynamik, vielleicht die Länge – aber irgendwie berührt mich der Song nicht mehr so wie die ersten beiden. Ich sehne mich nach einem kleinen Ausbruch, einem aggressiveren Part, irgendwas, dass die dicke Soundmasse aufreißt. Klar, alles immer noch auf hohem Niveau – aber emotional geht er mir nicht mehr ganz so unter die Haut. Zum Glück kommt mit „In Silence“ direkt ein Song, der mich wieder an die Hand nimmt. Schon die ersten düsteren Synthie-Klänge bringen diese dichte, neblige Stimmung zurück. Und dann dieses Gitarrenriff, das mit wenigen Tönen sofort im Ohr bleibt und wieder Bewegung in die Soundwand bringt.Natürlich ist auch „In Silence“ so langsam wie ein nie endender Arbeitstag – aber er wirkt irgendwie lebendiger. Die Gitarren sind präsenter, das Ganze wabert wieder mehr, es entsteht eine spürbare Dynamik. Und plötzlich bin ich wieder drin – Doom wie er sein muss: schwer, melancholisch, aber trotzdem mit Puls.

„On the Edge of Sanity“ bleibt dem bisherigen Sound treu, bringt aber unterschwellig einen Hauch Black-Metal-Schärfe rein, den man auch schon vorher in „In Silence“ wahrnimmt. Nichts übertrieben, nur so viel, dass man es fühlt – wie eine kalte Brise in einem dunklen Raum.Anni singt wieder wie ein Geist zwischen Leben und Tod, Ville growlt dich direkt in den Wahnsinn, und zusammen erschaffen sie ein Klangbild, das zwar nicht eskaliert, aber tief geht. Kein Aufbäumen – aber ein dunkles Glimmen, das unter der Oberfläche lodert.Der Abschlusssong „First of October“ trägt alle positiven Eigenschaften der Platte noch einmal schön zusammen: düster, doomig und eine einschnürende Finsternis. In der Mitte zieht das Tempo nochmal an und nimmt einen ein letztes Mal mit auf die Reise. Umso mehr wirkt „Decay of Emotions“ rückblickend wie ein Bruch, der ausgerechnet zur Mitte entsteht – da hätte man sich das „Tempo“ einfach etwas mehr gewünscht, das man hier zum Abschluss dann doch findet.

RED MOON ARCHITECT liefern mit diesem Album genau das, was man sich als Doom-Fan erhofft – tiefe Atmosphäre, ehrliche Schwere und eine Produktion, die sich nicht anbiedert, sondern konsequent ihren düsteren Weg geht. Bis auf einen kleinen Hänger zur Mitte ist das hier ein finsterer Monolith von einem Album, der einen von der ersten Minute an gefangen nimmt. Keine Revolution, aber eine beeindruckende Demonstration, wie intensiv langsame Musik sein kann – vor allem, wenn sie aus Finnland kommt.

„Meine Oma hat immer gesagt: Wenn du lang genug in der Dunkelheit sitzt, fängt sie irgendwann an, dich zu umarmen. Die hatte das im Blut – die hätte RED MOON ARCHITECT gehört. Anspieltipps: „Frozen Tomb“, „In Silence“.

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Infos

Release

18.04.2025

Laufzeit

49:10 Minuten

Label

Noble Demon / Soulfood

Fazit
RED MOON ARCHITECT hauen mit ihrem neuen Album eine düstere, bleischwere Doom-Atmosphäre raus, die mich trotz einem kleinen Durchhänger in der Mitte nicht loslässt und einfach immer wieder reinzieht.
13
von 15
Hervorragend
Autor
"Wenn man einmal dem Metal verfallen ist, ändert man seine Gesinnung nicht einfach von heute auf morgen." ( Parramore McCarty, Warrior)