„Fleisch“ nennt sich eine Horror-Anthologie, die sich bei Genre-Fans einer großen Beliebtheit erfreut und deren Teile etwa einmal im Jahr die Leser erreichen. Für den jüngst erschienenen sechsten Teil hat sich der Herausgeber etwas ganz besonderes ausgedacht, denn alle Kurzgeschichten haben einen sexuellen bzw. erotischen Hintergrund, der mit den bekannten, voll krassen Splatter-Beschreibungen einhergeht. So lautet der Untertitel „(Un)erotische Geschichten aus der Welt der Schmerzen und des Wahnsinns!“ So weit, so gut, grundsätzlich kann ich diese Reihe jedenfalls mit anderen Anathologien wie „Opferblut“ oder Marc Gore`s „Grindhouse Splatter“ vergleichen. Apropos Marc Gore, auch unser bekennender Heavy Metal Fan hat für das passend betitelte „Fleisch Sex“ wieder eine tolle Story verfasst.
Es ist immer schwer, etwas über die Inhalte der Geschichten zu erzählen, ohne allzu viel zu spoilern, weshalb ich mich dahingehend lieber etwas kürzer fassen und durch wenige Beispiele eher allgemeiner bleiben möchte. Insgesamt werden 15 Kurzgeschichten geboten, die größtenteils dermaßen abstrus, ekelhaft und/oder bewusst überzogen erzählt werden, dass mir beim Lesen oft das Lachen im Halse stecken blieb. Schon die eröffnende Geschichte „Über Den Tod Hinaus“ von Holger Krass (witziger Nickname übrigens) bildet dabei ein erstes Highlight und zählt zu meinen Favoriten unter dem Sammelsurium. Grob geht es um einen Kerl, der seine Finger (und andere Körperteile) nicht von seiner verstorbenen Geliebten lassen kann. Bei „Das Spiel Der Fetische“ von Chris Drews handelt es sich um eine arme junge Frau, die sich für Geld von einer Schar schwerreicher Perverser quälen lässt, was in einer Art passiert, die an „Running Man“ erinnert. Eine wirklich tolle Story, in die der Schriftsteller viel Sozialkritik z.B. über die sexuelle Ausbeutung bzw. – Gleichberechtigung der Frau untergebracht hat und zudem ein „hübsches“ Ende präsentiert. Doch nicht nur Männer haben derbe Phantasien, so steht Jasmin Kriegers Story „Luder“ in Sachen Perversionen und Ekelkeiten den Herren in nichts nach. Sehr schön, wie sie aus Sicht eines geilen Strandurlaubers das Werben um zwei Schönheiten schildert. Zu dumm, dass es sich dabei um weibliche Vampire handelt, die sich zu wehren wissen. Das Vampir-Thema wird auch bei „Strippers From Hell“ von Anja Hansen & H.M. Steinmetz behandelt. Diese Story erinnerte mich ein wenig an „From Dusk `Til Dawn“, nur viiieeel blutiger! Prima jedenfalls, dass hier auch der Heavy Metal mit einigen genannten Musiktiteln seine Huldigung erfährt. Doch wer glaubt, dass nur Menschen sexuell erregt sein dürfen, den belehrt unser Freund Marc Gore mit „Inkubus“ eines Besseren. Hier geht es um einen Dämonen, die sich, ähnlich wie Freddy Krüger bei „Nightmare On Elm Street“ in die Träume von Frauen einschleicht, um durch Fortpflanzung der speziellen Art die Erhaltung seiner Spezies sicherzustellen. Hier fiel mir auf, dass Marc Gore seine Hauptdarstellerin Sandy Rhoads nannte, was doch ganz bestimmt als Hommage an den viel zu früh verstorbenen Gitarrist Randy Rhoads gedacht sein dürfte.
Der Herausgeber gibt beim Vorwort den Rat, nicht mehr als zwei Geschichten pro Tag zu lesen. Musste ich anfangs darüber etwas amüsiert lächeln, kann ich das mittlerweile gut nachvollziehen. Warum? Nun weil sich die Themen, die abstrusen, teilweise widerwärtigen, ja schonungslosen Beschreibungen erst mal setzen lassen müssen und nachwirken. Für Freunde des derben Geschmacks also genau das Richtige und wer, so wie ich, auf dieses Genre abfährt die passende Unterhaltung! Jetzt heißt es wohl wieder ein ganzes Jahr auf die Fortführung dieser Reihe warten…