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Es ist mittlerweile gute Tradition, dass zu Beginn eines neuen Jahres ein ordentliches Hardcore Paket unter dem Banner eines großen Online Merchandise Ladens durch Deutschland/Europa tourt. Und das Ganze auch noch für wenig Knete. In diesem Jahr war das Package mehr als ordentlich besetzt, und mit IGNITE war eine Band am Start, die man nicht alle Jahre zu Gesicht bekommt. Also machte ich mich direkt nach der Arbeit auf den Weg zur Großen Freiheit, da auch schon die Vorbands gute Unterhaltung versprachen.
ALL FOR NOTHING
Ich war auch ziemlich früh da, und beim Einlass klappte auch alles ohne Probleme, aber BROKEN TEETH habe ich dann doch verpasst. Gut, kann man nix machen. Da insgesamt sieben Kapellen zum Tanz aufspielten, musste die Show relativ früh beginnen. So konzentrieren wir uns direkt auf ALL FOR NOTHING. Die Niederländer waren mir nicht unbekannt, habe ich sie doch vor ein paar Jahren nahezu an gleicher Stelle (nur eine Stockwerk tiefer; da befindet sich der Kaiserkeller) als Support von SICK OF IT ALL gesehen. Sängerin Cindy und ihre vier männlichen Kollegen nutzen die rund dreißig Minuten optimal, Songs wie "Point Of View", "I Will Arise" oder auch "Dead To Me" knallen ganz gut, und das Publikum spendet wohlwollenden Applaus. Der Set war dann auch zügig am Ende angelangt, da ALL FOR NOTHING sich nicht mit viel Ansagen oder ähnlichem aufhielten, sondern zügig Ihr Programm runter spielten. Dies mit viel Herzblut und Enthusiasmus. Etwas mehr Abwechslung würde den Songs ganz gut tun, aber die Truppe ist ja noch
relativ jung, das kann also noch was werden.
TURNSTILE
Als nächstes kamen dann TURNSTILE. Die Amerikaner aus Baltimore waren die jüngste Band des Abends. Ich selber kannte kaum Material der Truppe, mir wurde aber zugetragen, dass die Band sich den ganz alten Hardcore Regeln verschrieben hat. Kaum ein Song geht länger als 2 Minuten, auf der Bühne wird sich bewegt wie die Flummis, und das Publikum MUSS mit einbezogen werden. So kam es des Öfteren vor, dass Sänger Brendan Yates über den Fotograben direkt an den Zaun zum Publikum sprang, und sein Mikro mit der ersten Reihe teilte. Manchmal überließ er den wenigen textsicheren Zuschauern auch sein Mikrophon, und zog sich als Frontmann zurück. Überhaupt war Brendan Yates ein echter Blickfang. Der sprang und rannte über die Bühne als ginge es um sein Leben, und bereits nach dem ersten Song zog er sich sein T-Shirt aus und entblößte seinen doch beeindruckendem Oberkörper, der nicht von einem einzigen Tattoo (!) verziert ist. Die anwesenden weiblichen Zuschauerinnen nahmen das mit sehr großem Interesse war. Ansonstenprügelten TURNSTILE ihre kurz und knackigen Songs wie "Gravity" oder auch "Pushing Me Away" von der Bühne und konnten doch den einen oder anderen Zuschauer für sich begeistern.
RYKER'S
Die RYKER'S aus Kassel durften dann die Bühne entern. Obwohl sie eine der bekanntesten und auch erfolgreichsten Hardcore Bands aus Europa waren/sind, konnte ich persönlich nur wenig mit der Band anfangen. Und der Beginn des Auftritts war doch ein wenig schleppend. So dauerte es rund zehn Minuten, bis Band und Publikum auf Betriebstemperatur waren. Überrascht war ich ein wenig von der Tatsache, dass die RYKER'S ihrem Sound ein klein wenig mehr in Richtung Metal geschoben hatten. Spätestens, als die Kassler einen kurzen Tribut an den verstorbenen Jeff Hanneman von SLAYER zollten und "Raining Blood" anspielten, wurde dies überdeutlich. Noch überraschter war ich allerdings von dem Effekt, der dieses kurze Intermezzo auf das komplett Hardcore Publikum erzeugte. Großer Jubel, Fäuste schnellten noch oben und diverse Leute begannen ihre (eher kurzen) Haare zu schütteln. Es ist dann schön anzusehen, dass die verschiedenen Genres Metal und Hardcore doch enger beisammen liegen als man glauben mag. Zum Ende spielten
die RYKER'S dann noch ihre bekanntesten Songs wie "Cold Lost Sick" oder auch "True Love", und der Mob vor der Bühne gab nun Vollgas.
WALLS OF JERICHO
Dann war Zeit für WALLS OF JERICHO. Seitdem ich die Band das erste Mal gesehen hatte, war ich total begeistert von der Combo. Starke Songs, und eine Frontfrau, die nicht nur unfassbar gut schreien konnte, sondern auch eine echte Rampensau ist. Im Nu hatten die Amerikaner das Publikum auf Ihrer Seite und spielten einen energiegeladenen Set, der sich gewaschen hatte. "The Ministry", "Feeding Frenzy", "All Hail The Dead" oder auch "The American Dream", eine Granate nach der nächsten wurde gezündet. Sehr oft rufen die Sänger von Hardcore Bands ihr Publikum dazu auf, doch mal bitte einen Circle Pit zu starten. Bei Frontfrau Candace wird das aber auch direkt in die Tat umgesetzt. Und überhaupt, die Dame ist wohl seit einiger Zeit kräftig am Gewichtheben. Jedenfalls sind ihr Kreuz und ihre Oberarme beeindrucken gewachsen. Auch wenn es schon seit längerer Zeit kein aktuelles Material von der Band gibt, wurde doch jeder Song abgefeiert. So verging der Auftritt auch wie im Flug und danach konnte man die ersten erschöpften Gesichter im Publikum erkennen. Aber der Abend ging ja noch weiter, und ich war gespannt, in wie weit die Raserei vor der Bühne noch ausarten würde.
IGNITE
So war es gar nicht schlecht, dass mit IGNITE eine Band auf die Bühne ging, die man eher als melodisch betrachten kann. Wobei "melodisch" eher im Kontrast zu den voran gegangen Bands und dem, was noch kommen sollte, gesehen werden muss. Denn auch IGNITE haben schon seit längerer Zeit kein neues Material mehr fabriziert, aber sie haben mit dem Album "Our Darkest Days" einen Hardcore Klassiker des neuen Jahrtausends in der Hinterhand. Und so gab es gleich zu Beginn "Poverty For All", "Fear Is Our Tradition" und "Let It Burn" von diesem Album. Die Zuschauer in der ausverkauften Großen Freiheit gingen weiterhin gut mit, und wenn Sänger Zoli Teglas zwischendurch seine politischen Statements abgab, war zuhören Pflicht. Obwohl ich mich sehr auf diesen Auftritt gefreut hatte und man im Großen und Ganzen auch sagen kann, dass es ein gutes Konzert von IGNITE war, so wirke die Band doch ein klein wenig zu routiniert und auch reserviert. Man hatte das Gefühl, dass IGNITE ihren Set und ihre Show runter kurbelten, und ließen einfach ein klein wenig die Energie vermissen, die allein schon ihre starken Songs erzeugen können. Zum Ende hin gab es dann doch tatsächlich einen neuen Song, dessen Namen ich allerdings vergessen habe, dem man aber ohne wenn und aber sofort IGNITE zuordnen kann. Als Abschluss dann noch die Granate "Bleeding", dass mittlerweile auch gerne mal von MACHINE HEAD live eingestreut wird. Ein solider Auftritt, den ich persönlich aber etwas enttäuschend fand.
SICK OF IT ALL
Als Headliner gab es dann noch einmal das volle Brett. SICK OF IT ALL wollten dem Publikum nun den Rest geben, und das schafften sie im Handumdrehen. Es gab einen guten Querschnitt durch das gesamte Schaffen der Band, mit alten Hits wie "Clobberin' Time", "Step Down" oder "Sanctuary", aber auch Stück aus neueren Zeiten wie "Uprising Nation", "Get Bronx" oder "DNC". Die Zuschauer gaben noch einmal Vollgas und gingen komplett steil. Ich weiß nicht, wie oft ich SICK OF IT ALL schon gesehen habe, aber das Quartett aus New York wurde mir noch nie langweilig und ich würde sie mir immer wieder anschauen. Bewundernswert auch die Tatsache, dass die Band im nächsten Jahr ihren 30 Geburtstag feiert (!), und Lou Koller immer noch so jung aussieht, als ich die Band das erste Mal Mitte der 90er Jahre in der Hamburger Fabrik gesehen habe. Unfassbar. Ständig gute Alben und Songs, energiegeladene Shows inklusive springen wie die Flummis und keinen Line Up Wechsel in drei Dekaden. Respekt!
Sänger Lou war es dann auch, der sich bei dem Publikum und der Treue seiner Fans bedankte, ohne die man jetzt nicht da stehen würde wo man war. Überhaupt ist der Mann ein geborener Entertainer, ganz egal ob er im Kaiserkeller von 150 Leuten oder in Wacken von 25.000 Leuten steht. Zum Ende des Auftritts gab es dann den üblichen Klassiker, nämlich "Us vs. Them". Dafür holten sich SICK OF IT ALL aber Unterstützung auf die Bühne. Candace Kucsulain von WALLS OF JERICHO schnappte sich ein Mikro, um den Song gemeinsam mit Lou zu singen. Wobei man fast schon sagen musste, dass die Dame ihr Mikro mit mehr Intensität bebrüllte als Lou von SICK OF IT ALL. Ein schöner Abschluss eines tollen Konzertabends.
Es gab einen Haufen toller Bands für wenig Geld, und man kann nur hoffen, dass auch im nächsten Jahr diese Tour so hochkarätig besetzt ist wie dieses Jahr.
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